Die Jahre 1921-1935 sind die Zeit, in der Karl Barth an drei deutschen Universitaten - Gottingen (1921-1925), Munster (1925-1930) und Bonn (1930-1935) - lehrte, bis er im Sommer 1935 vom nationalsozialistischen Staat seines Amtes enthoben wurde. In allen drei Stadten und zunehmend auch als Gastprediger an anderen Orten stand er neben seiner Lehr- und Vortragstatigkeit regelmassig auch auf einer Kanzel, die er ja erklartermassen als den eigentlichen Bewahrungsort der Theologie ansah. Die 14 Jahre in Deutschland sahen seine ...
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Die Jahre 1921-1935 sind die Zeit, in der Karl Barth an drei deutschen Universitaten - Gottingen (1921-1925), Munster (1925-1930) und Bonn (1930-1935) - lehrte, bis er im Sommer 1935 vom nationalsozialistischen Staat seines Amtes enthoben wurde. In allen drei Stadten und zunehmend auch als Gastprediger an anderen Orten stand er neben seiner Lehr- und Vortragstatigkeit regelmassig auch auf einer Kanzel, die er ja erklartermassen als den eigentlichen Bewahrungsort der Theologie ansah. Die 14 Jahre in Deutschland sahen seine Entwicklung vom akademischen Anfanger auf der Suche nach Konsolidierung der Erkenntnisse, mit denen er sich aus dem einst von ihm selbst mit Uberzeugung verfochtenen theologischen Liberalismus gelost hatte, zum hochgeachteten Lehrer einer wachsenden studentischen Anhangerschaft und kirchlichen Offentlichkeit und Verfasser der ersten Bande seiner Kirchlichen Dogmatik. Die Predigten spiegeln diese Entwicklung der Lehre bis zur Reife in der Unmittelbarkeit der gottesdienstlichen Anrede. Diejenigen der letzten beiden Jahre, nunmehr haufig auf auswartigen Kanzeln und wiederholt bei besonderen Veranstaltungen der Bekennenden Kirche gehalten, sind bewegende Zeugnisse des beginnenden deutschen Kirchenkampfes aus dem Munde eines der tonangebenden Sprecher des Widerstandes gegen das Eindringen der staatlich verordneten Ideologie in die Kirche. Die Predigten der spateren Jahre fanden meist rasche Verbreitung durch den Druck, aus der Fruhzeit finden sich in dem vorliegenden Band zahlreiche Erstveroffentlichungen. Den Predigten zur Seite gehen (wie in den fruher erschienenen Gesamtausgabe-Banden der Abteilung I aus den Jahren 1935-1952 bzw. 1954-1967) Artikel, die Barth vornehmlich zu kirchlichen Feiertagen in verschiedenen Zeitungen veroffentlicht hat und die zum Teil bis jetzt kaum mehr greifbar waren. Zwischen diese beiden Gattungen tritt, einmalig in diesem Band, eine weitere von besonderer Dichte und Leuchtkraft: Bibelstunden, die Barth in Munster 1926 als Gast der Christlichen Studenten-Vereinigung und dann in Bonn an vier Abenden im Dezember 1934, soeben von seiner Professur suspendiert, uber das 1. Kapitel des Lukasevangeliums vor seinen Studenten hielt. In unverbrauchter Direktheit bringen alle diese Predigten, Bibelstunden und Artikel die biblischen Texte zum Sprechen und vermitteln auch Lesern, die schwerlich zu fachtheologischen Buchern greifen, die Botschaft, deren Erkenntnis das Lebenswerk dieses grossen Theologen diente. Holger Finze, Dr. theol., ist Pfarrer in Jenaz/Graubunden. Karl Barth (1886-1968) studierte Theologie in Bern, Berlin, Tubingen, Marburg und war von 1909 bis 1921 Pfarrer in Genf und Safenwil. Mit seiner Auslegung des Romerbriefes (1919, 1922) begann eine neue Epoche der evangelischen Theologie. Dieses radikale Buch trug ihm einen Ruf als Honorarprofessor nach Gottingen ein, spater wurde er Ordinarius in Munster und Bonn. Er war Mitherausgeber von Zwischen den Zeiten (1923-1933), der Zeitschrift der Dialektischen Theologie . Karl Barth war der Autor der Barmer Theologischen Erklarung und Kopf des Widerstands gegen die Gleichschaltung der Kirchen durch den Nationalsozialismus. 1935 wurde Barth von der Bonner Universitat wegen Verweigerung des bedingungslosen Fuhrereids entlassen. Er bekam sofort eine Professur in Basel, blieb aber mit der Bekennenden Kirche in enger Verbindung. Sein Hauptwerk, Die Kirchliche Dogmatik , ist die bedeutendste systematisch-theologische Leistung des 20. Jahrhunderts.
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