Der 'Mauerfall' brachte die Frage der 'Wiedervereinigung' uberraschend rasch zuruck auf die Tagesordnung der internationalen Politik. Dies galt auch fur die osterreichische Diplomatie und Politik, wie die 180 in dieser Edition erstmals veroffentlichten Dokumente zeigen. Das Verhaltnis des neutralen Landes zu beiden deutschen Staaten hatte sich von 1949 bis 1989/90 kontinuierlich entwickelt. Zur Bundesrepublik bestanden aufgrund des Auaenhandels und der Westorientierung osterreichs weit engere und intensivere wirtschaftliche ...
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Der 'Mauerfall' brachte die Frage der 'Wiedervereinigung' uberraschend rasch zuruck auf die Tagesordnung der internationalen Politik. Dies galt auch fur die osterreichische Diplomatie und Politik, wie die 180 in dieser Edition erstmals veroffentlichten Dokumente zeigen. Das Verhaltnis des neutralen Landes zu beiden deutschen Staaten hatte sich von 1949 bis 1989/90 kontinuierlich entwickelt. Zur Bundesrepublik bestanden aufgrund des Auaenhandels und der Westorientierung osterreichs weit engere und intensivere wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen. Abwartend und weit weniger intensiv war das Verhaltnis zum ostdeutschen Staat. Nichtsdestotrotz waren die Kontakte zur DDR nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1972 von schrittweiser Normalisierung, wechselseitiger Besuchsdiplomatie und gut entwickelten Wirtschaftsbeziehungen gekennzeichnet, die allerdings hinter der Starke von jenen mit der Bundesrepublik zuruckblieben. osterreich verfolgte in dieser Zeit als kritischer Beobachter aufmerksam die deutsche-deutsche Entwicklung und analysierte ihre Folgen fur Europa. Die deutsche Teilung schien mit dem Honecker-Besuch in Bonn 1987 verfestigt, mit der Anerkennung der DDR als scheinbar souveraner Staat schien der SED-Generalsekretar auf dem Hohepunkt seiner Macht angelangt und die deutsche Frage definitiv beantwortet. Trotz des von Michail Gorbatschow ausgelosten Wandels wirkte das ostdeutsche Regime stabil. Der Schein trog jedoch. Der revolutionare Umbruch in der DDR ging 1989 schliealich so rasch vonstatten, dass sich die deutsche Einheit im Herbst des Folgejahres auch fur das genau beobachtende osterreich teilweise schneller vollzog als es vorher noch zu erwarten war. Nichtsdestotrotz hatte osterreichs Mitwirken an der Massenflucht der Ostdeutschen via Ungarn im Spatsommer 1989 wesentlich zum Zusammenbruch des SED-Regimes beigetragen. Die 'friedliche Revolution' wurde von der osterreichischen Politik begruat, die Haltung zur deutschen Frage war jedoch ambivalent. Wahrend Bundeskanzler Franz Vranitzky zunachst von einem Fortbestand der DDR ausging und Besuchskontakte pflegte, befurwortete Auaenminister Alois Mock die deutsche Einheit von Anfang an. Je deutlicher sich die Vereinigung abzeichnete, desto einhelliger wurde die osterreichische Unterstutzung. Dies stand in direktem Zusammenhang mit dem 1989 in Brussel gestellten Beitrittsgesuch zu den Europaischen Gemeinschaften, dass sich rasch im Schatten der der deutschen Frage wiederfand. Auf dem Weg zum gemeinschaftlichen Europa setzte Wien auf deutschen Beistand.
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