Die Religion der Kafiren, also der heutigen "Nuristani" im Nordwesten Afghanistans, faszinierte alle europaischen Reisenden, die sich noch vor der Zwangsbekehrung zum Islam gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihrem Lebensraum nahern konnten. Die Kafiren verehrten mit Opferriten, die zum Vergleich mit jenen der abendlandischen Antike herausfordern, Gotter mit zum Teil aus den Veden bekannten Namen. Hier wird der historische Hintergrund des bislang nur in ethnologischen Kategorien erfassten Materials klargestellt. Um zu zeigen, ...
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Die Religion der Kafiren, also der heutigen "Nuristani" im Nordwesten Afghanistans, faszinierte alle europaischen Reisenden, die sich noch vor der Zwangsbekehrung zum Islam gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihrem Lebensraum nahern konnten. Die Kafiren verehrten mit Opferriten, die zum Vergleich mit jenen der abendlandischen Antike herausfordern, Gotter mit zum Teil aus den Veden bekannten Namen. Hier wird der historische Hintergrund des bislang nur in ethnologischen Kategorien erfassten Materials klargestellt. Um zu zeigen, dass selbst heute noch 80 Jahre nach der Bekehrung, mit wesentlichen Erganzungen unseres Wissens von der Religion der Vergangenheit zu rechnen ist, sind zwei Beitrage von Feldforschern aufgenommen: Schuyler Jones, am Department of Ethnology and Prehistory der Universitat Oxford tatig, berichtet uber das Waigal-Gebiet, Max Klimburg, Leiter der Aussenstelle des Sudasien-Instituts der Universitat Heidelberg in Kabul, uber das Ashkun-Gebiet. Westlich der Kafiren, auf pakistanischem Gebiet, lebten die dardischen, eine indische Sprache sprechenden Kalash, die letzten Heiden des Hindukusch, deren Religion auf angesichts des unabwendbaren Untergangs eine erstaunliche Dynamik zeigt. Die Shina-sprechenden Darden, deren Hauptverbreitungsgebiet die Gilgit Agency ist, wurden zwar in einem Prozess, der erst im 19. Jahrhundert seinen Abschluss fand, zum Islam (oder Lamaismus) bekehrt, daneben blieb jedoch eine Komplementarreligion lebendig, die offenbar bereits den Buddhismus uberdauert hatte. Ihre Grundkonzeptionen werden hier erstmalig herausgearbeitet, wobei der Zusammenhang mit den religiosen Systemen der Kafiren und Kalash sichtbar wird. Schliesslich wird die Religion der Kho, der dardischen Grundbevolkerung Chitrals, dargestellt. Es ergibt sich, dass Chitral die wichtigste Einbruchszone iranischer Vorstellungen in ein indisches Sprachgebiet ist. Die Fulle unpublizierten Materials, das in dieses Buch eingegangen ist, die vielfaltigen Beziehungen zu den Nachbargebieten, die dabei deutlich werden, lassen ein Quellenwerk entstehen, das fur den, der sich mit den Religionen Indiens, Irans oder Zentralasiens beschaftigt, kunftig nicht zu umgehen sein wird.
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