In den letzten beiden Jahrzehnten nahm die mediavistische Forschung zum geistlichen Spiel des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit einen ungeahnten Aufschwung. Dennoch stellen fur einige Spiele, insbesondere des Sudtiroler Raumes, immer noch Editionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts die einzig verfugbare Textgrundlage dar, was in der Folge auch zum Ausbleiben einschlagiger Untersuchungen zu diesem Bereich gefuhrt hat. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird das Brixener Passionsspiel 1551 erstmals vollstandig und nach ...
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In den letzten beiden Jahrzehnten nahm die mediavistische Forschung zum geistlichen Spiel des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit einen ungeahnten Aufschwung. Dennoch stellen fur einige Spiele, insbesondere des Sudtiroler Raumes, immer noch Editionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts die einzig verfugbare Textgrundlage dar, was in der Folge auch zum Ausbleiben einschlagiger Untersuchungen zu diesem Bereich gefuhrt hat. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird das Brixener Passionsspiel 1551 erstmals vollstandig und nach aktuellen editorischen Massstaben ediert. Damit stehen nun Text und Melodien in einer verlasslichen Edition auch anderen mediavistischen Disziplinen, wie etwa den Musik- und Theaterwissenschaften, der Judaistik und den Geschichtswissenschaften, zur Verfugung. Nach einer ausfuhrlichen Beschreibung der Handschrift F.B.575 wird das Brixener Passionsspiel im Kontext der Tiroler Spieletradition verortet und mit Blick auf mogliche Vorlagen bezuglich des medialen Status seiner Uberlieferung untersucht. Die literarischen Inszenierungsstrategien, Aspekte der Performativitat sowie das literarische und historische Umfeld stehen im Zentrum des Analyseteils, wobei in der Verknupfung von szenisch-dramatischer und theologisch-liturgischer Deutung des Geschehens Konturen der Spielintention sichtbar werden, die neben der Unterweisung im christlichen Glauben und der Heilssicherung wohl vorrangig in der Belehrung und Erbauung des (stadtischen) Publikums bestand, an dessen Mitgefuhl (compassio) durch die Veranschaulichung der Passion Jesu appelliert wurde. In diesem Zusammenhang ist im Vergleich zu den meisten anderen Passionsspielen der Tiroler Spielegruppe sowohl die hohe Zahl als auch die deutlich negative Darstellung der auftretenden Juden auffallig, was moglicherweise in direktem Zusammenhang mit der Politik Maximilians I. stehen konnte.
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