Nachlese zu Goethes Faust Die Schlussszene von Goethes Faust ist seit jeher umstritten: Befremden uber das Aufgebot von Heiligen, Engeln, Busserinnen, Seligen Knaben und sogar der Maria durchzieht die Wirkungsgeschichte, und entsprechend zahlreich sind die Versuche, darin ein Grundkonzept der Tragodie zu erkennen. Die innere Folgerichtigkeit der Szene herauszuarbeiten, ist auch Movens der hier vorgelegten Neuinterpretation. Sie argumentiert ebenso originell wie nahe am Wortlaut und kann dabei uberraschende Zugange zu dem ...
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Nachlese zu Goethes Faust Die Schlussszene von Goethes Faust ist seit jeher umstritten: Befremden uber das Aufgebot von Heiligen, Engeln, Busserinnen, Seligen Knaben und sogar der Maria durchzieht die Wirkungsgeschichte, und entsprechend zahlreich sind die Versuche, darin ein Grundkonzept der Tragodie zu erkennen. Die innere Folgerichtigkeit der Szene herauszuarbeiten, ist auch Movens der hier vorgelegten Neuinterpretation. Sie argumentiert ebenso originell wie nahe am Wortlaut und kann dabei uberraschende Zugange zu dem vermeintlich bekannten Text eroffnen. Gegen die in der massgeblichen Faust-Forschung herrschende Auffassung, Faust selbst bleibe in der Schlussszene stumm, wird die These vertreten, die ratselhafte Gestalt des Doctor Marianus sei der verwandelte Doctor Faust. Diese der Auffuhrungspraxis entspringende Uberlegung, die punktuell schon fruher, u. a. von Rudolf Steiner, vorgebracht wurde, vermag Karl Pestalozzi in seinem Essay virtuos auszudeuten: Das Ende von Faust II erweist sich so als Revision des tragischen Schlusses des ersten Teils. Stutzen lasst sich diese Deutung durch Goethes 1827 entstandene Nachlese zu Aristoteles' Poetik. Auch wenn Goethe in diesem spaten Aufsatz die aristotelische Katharsis philologisch gesehen missversteht, wird ihm eine entsprechende Reinigung und Versohnung doch zum Konzept von Dramenschluss uberhaupt. Die in diesem Sinne in 'Bergschluchten' stattfindende Katharsis ruhrt gar an das patriarchalische Gottesbild.
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