Der Superlativ wird fast durchweg verurteilt, als marktschreierisch, als gewalttatig, als ungenau. Die Liste seiner Gegner ist lang, aber ausgerechnet Goethe scheint ihn geliebt zu haben. Auf fast jeder Seite begegnet man dieser Form, aber dass sie einen Schlussel zu seinem Verstandnis von Natur, Religion und Dichtung bietet, ist in den grossen Invektiven gegen den Superlativ ubersehen worden. Goethe nutzt ihn mit Leidenschaft und Sprachphantasie, er unterschreibt als "der Deinigste", scheut aber auch nicht vor dem ...
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Der Superlativ wird fast durchweg verurteilt, als marktschreierisch, als gewalttatig, als ungenau. Die Liste seiner Gegner ist lang, aber ausgerechnet Goethe scheint ihn geliebt zu haben. Auf fast jeder Seite begegnet man dieser Form, aber dass sie einen Schlussel zu seinem Verstandnis von Natur, Religion und Dichtung bietet, ist in den grossen Invektiven gegen den Superlativ ubersehen worden. Goethe nutzt ihn mit Leidenschaft und Sprachphantasie, er unterschreibt als "der Deinigste", scheut aber auch nicht vor dem "Letztesten" oder "Greulichsten" zuruck. Goethe nimmt "die absoluteste Freiheit" in Anspruch und gewinnt ihr "Herrlichstes" wie "Geheimstes" ab. Superlative einer "allerlieblichsten Gestalt" erweisen sich als eine Art Spiraltendenz der Sprache, als ein verschwenderisches Lebensprinzip, um "die einfachsten Anfange der Erscheinungen durch Steigerung ins Unendliche und Unahnlichste zu vermannichfaltigen".
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